Camillo Pötzsch - Scout - Autor  + Tourenführung

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Die freie Republik Carnia

Repubblica partigiana della Carnia 


 

Die Republik Carnia

Die Partisanenrepublik Carnia - italienisch Repubblica partigiana della Carnia - auch Zona Libera della Carnia, war eine von Partisanen während des Zweiten Weltkriegs gegründete freie Zone (zona libera) in Karnien und Nord Friaul in der heutigen Region Friaul Julisch Venetien in Norditalien mit der Gemeinde Ampezzo als Hauptstadt.
Diese existierte vom 26. September bis zum 10. Oktober 1944.

Geographie

Die Zona Libera Carnia und Friuli Sopra erstreckte sich über die Karnische Voralpen nordwestlich von Udine auf einer Fläche von 2.580 Quadratkilometern mit rund 85.000 Einwohnern, aufgeteilt in 38 vollständig befreite Gemeinden und sieben teilweise befreite Gemeinden, darunter auch Lorenzago und Sappada in der Region Belluno. Als Hauptstadt wurde die Stadt Ampezzo im Val Tagliamento gewählt. Ende Juli 1944 war fast gesamt Karnien zusammen mit den Tälern Cellina, Meduna und Tramontina befreit. Die größte Stadt der Region, Tolmezzo, hingegen blieb unter der Kontrolle deutscher Truppen, da die Wehrmacht dort unter anderen Kosaken zur Partisanenbekämpfung einsetzte. Diese Kosaken hatten einst mit der Weißen Armee gegen die Bolschewiki und später mit deutschen Truppen gegen die Sowjets gekämpft und flohen mit dem Rückzug der Wehrmacht samt ihren Familien aus Russland und der Ukraine. Im Sommer 1944 wurden 35.000 Kosaken von der deutschen Besatzungsmacht in der Provinz Friaul, Norditalien zwangsangesiedelt.

 

 

Geschichte

Im Frühjahr 1944, nach einem sehr harten Winter, begannen die Partisanenverbände in Karnien am rechten Ufer des Tagliamento, destra Tagliamento, mit neuen Aktivitäten gegen das faschistische Regime Italiens, sowie gegen die deutschen Besatzer. In allen Tälern vervielfachten sich die Garibaldi und Osovane Formationen und erreichten innerhalb weniger Monate die Zahl von etwa 6000 leicht bewaffneten Männern.

Am 2. April wurde Dr. Zagolin in Ampezzo befreit, der von der deutschen SS der örtlichen Carabinieri Garnison anvertraut worden war. Von da an folgten die Angriffe auf die deutschen und italienischen, faschistischen Garnisonen, sowie auf die Fahrzeugkolonnen nacheinander. Die Deutschen zogen sich nach Tolmezzo und in die piemontesischen Zentren zurück, nicht ohne Zerstörungen und Massaker zu hinter lassen. Die Gemeinden Forni di Sotto, Esemon di Sotto und Barcis wurden niedergebrannt und im Juli gab es ein brutales Massaker auf der Malga Pramosio.

Die Republik Karnien wurde am 1. August 1944 ins Leben gerufen. Vorausgegangen war die Einberufung der Vertreter aller Gemeinden in Karnien, die nach ihrer Rückkehr in ihre Gemeinden die Bildung von kommunalen Nationalen Befreiungskomitees in Angriff nahmen. Am 11. August gründeten die drei Tal Ausschüsse, Alto Tagliamento, Degano und But, die an der Gründung der Freien Zone beteiligt waren, das Karnische Nationale Befreiungskomitee  (C.L.N).

 

 

Im August 1944 wurde der schwierige Beschluss gefasst, eine provisorische Regierung in dem Gebiet einzusetzen. Zwischen August und September fanden in allen Gemeinden der Zone freie Wahlen statt, die zur Einsetzung von Gemeinderäten und Bürgermeistern führten. Die Stimmabgabe wurde von den Familienoberhäuptern durchgeführt, so dass auch Frauen bei diesen freien Wahlen abstimmen konnten, da viele ihrer Männer in der Armee oder bei Partisanentruppen waren.
Am 21. September fand in Ampezzo die vorbereitende Sitzung des C.L.N. der Zona Libera della Carnia statt, der in wenigen Tagen die Befugnisse des Provisorischen Regierungsrates des befreiten Gebietes übernehmen würde. Sie organisierte ihre Arbeit mit Hilfe von Inspektoren, Polizei, Bildung, Forstwirtschaft, Justiz, Inneres, Finanzen, in denen dann spezielle Kommissionen tätig waren.

 

 

Ihre Tätigkeit war durch die folgenden Ziele gekennzeichnet: die Trennung der politischen Macht, von Zivilisten ausgeübt, von der militärischen Macht. Freie Kommunalwahlen für Familienoberhäupter, wobei auch die Frauen das Wahlrecht hatten. Lösungen für das Ernährungsproblem der Bevölkerung und das Einfrieren der Preise für Grundnahrungsmittel. Eine Schulreform, die Einrichtung eines Volksgerichtshofs, die Abschaffung der Todesstrafe für gewöhnliche Verbrechen und die freie Rechtspflege. Dazu die Reform der Grundsteuer, Verteidigung des Walderbes, Einrichtung einer Bürgerpolizei und die Verwaltungsautonomie des Berggebiets.

Am 26. September 1944 trat in Ampezzo zum ersten Mal die C.L.N. der Zona Libera della Carnia, das heißt der Zentralrat der Regierung zusammen, nach dem Aktivitäten zur Koordinierung der drei C.L.N. des Tals und der C.L.N. Carnia erfolgt waren. Diese Versammlung verabschiedete ein Manifest an die Bürger. Der C.L.N. war aus Vertretern der folgenden Parteien und Organisationen, insgesamt etwa 200 Personen, zusammengesetzt. Vertreter der Christdemokraten, der Kommunistischen Partei, der Aktionspartei, der Liberalen Partei, der Sozialistischen Partei, des Freiwilligenkorps der Freiheit (Partisanen).  Dazu die Massenorganisationen der Jugendfront, der Frauenverteidigungsgruppen, der Bauernausschüsse und des Förderungsausschusses der Arbeiterkammer. Ihre Vertreter waren nur in Angelegenheiten, die sie unmittelbar betrafen, stimmberechtigt.

 

Erste Amtshandlungen

 

Die Versorgung der Freien Zone war problematisch, weil sich das Berggebiet nie selbst mit Nahrungsmitteln versorgen konnte, sondern diese aus dem Flachland importieren musste. Friaulanische Frauen konnten mit Hilfe der Partisanenverbände in der Ebene, die von den Bauern der Bassa Friulane unterstützt wurden, auf Nebenwegen mit von Tieren gezogenen Karren über Meduno, der letzten Stadt in der freien Zone Richtung Ebene, in fünfzehn Tagen etwa fünftausend Doppelzentner Weizen transportieren und an die Familien im Berggebiet verteilen.

Neben demjenigen für die Versorgung erließ die Regierung folgende wichtigen Dekrete:

Die Eröffnung der Grundschulen. Ein Schulinspektor hatte die Aufgabe, das Lehrpersonal und die Schulbücher zu überprüfen. Eine radikalere Säuberung der Lehrer musste aufgegeben werden, um den Betrieb der Schulen aufrecht erhalten zu können.
Mit dem Finanzdekret sollten alle Steuern und Abgaben abgeschafft und eine außerordentliche, progressive Vermögenssteuer zur Deckung der laufenden Kosten des zivilen Lebens erhoben werden.
Ein Volksgerichtshofs sollte eingerichtet werden, dessen fünf Richter von den Gemeinderäten ernannt würden. Die Todesstrafe wurde für alle gewöhnlichen Straftaten abgeschafft.
Die Polizei sollte bewaffnet und uniformiert die öffentliche Ordnung aufrechterhalten.
Das Abholzen der Wälder wurde verboten, außer für die Versorgung der Familien mit Brennholz.

Für die meisten dieser Dekrete blieb jedoch bis zum 10. Oktober keine Zeit, um sie umzusetzen.

 

 

Emilio (Gino Beltrame) schickte den folgenden Bericht an den PCI Verband von Udine: Der C.L.N. der sich unter Einbeziehung von Massenorganisationen und Militärvertretern konstituiert hat, hat sich als ein politisches Gremium erwiesen, das gute Ergebnisse erzielen kann. Zwischen unserem Vertreter, dem von Garibaldi und vier der Massenorganisationen war eine Mehrheit gegeben, was bedeutete, dass die politische Linie diejenige war, die wir unterstützten.
Zu den führenden Vertretern der Partisanenrepublik gehörten Mario Lizzero „Andrea“, Kommissar der Garibaldi Brigaden. Don Aldo Moretti „Lino“, Vertreter der Brigade Osoppo und der Christdemokrat, Gino Beltrame „Emilio“, der PCI.  Nino Del Bianco „Celestino“, von der Partito d’Azione, Manlio Gardi, von der PLI. Dazu lokale Vertreter, wie die Sozialisten Giovanni Cleva und Dino Candotti, Luigi Nigris, Umberto Passudetti von der PLI und Romano Marchetti „da Monte“ von der Brigade Osoppo.


Die Republik hörte am 8. Oktober 1944 auf zu existieren, als das deutsche Kommando die Gegenoffensive Operation Waldläufer, auch Operation Ataman, startete, um die Freie Zone Karnien und das obere Friaul zu beseitigen. Mit Hilfe der faschistischen Truppen der Milizia di Difesa Territoriale (Territoriale Verteidigungsmiliz) wurden mehrere zehntausend Mann eingesetzt, darunter auch 5000 Kosaken, gegen die die 31 Partisanenbataillone, die nur mit leichten Waffen ausgerüstet waren, wenig ausrichten konnten.
Am 10. Oktober erließ der Regierungsrat Anweisungen für den Notfall und wurde aufgelöst. Die Kämpfe dauerten noch bis zum 20. Dezember 1944, bis die Zona Libera della Carnia endgültig zu existieren aufhörte. 
Die Zahl der Toten betrug etwa 900, die Hälfte davon waren Zivilisten.

Anmerkung:

 

 

Mit der Organisation freier Wahlen in allen Gemeinden, die zwischen August und September stattfanden und an denen alle antifaschistischen Parteien der damaligen Zeit teilnahmen, fand das Frauenwahlrecht seine erste Anerkennung in Italien innerhalb der Partisanenrepublik Karnien. Nur Frauen, die als Familienoberhäupter galten, durften wählen, ein Umstand, der angesichts der Beteiligung von Männern an Waffenhandlungen sowohl mit der Armee als auch mit den Partisanentruppen durchaus nicht ungewöhnlich war.

Zum Gedenken:
Zum Gedenken dieser mutigen Bürger ihrer Region Friaul, welche sich gegen der hundert fachen Übermacht der Faschisten Italiens und Deutschland für ihre Freiheit stellten, gibt es einen Weitwander Pfad  "Libera della Carnia".  Auf diesem Pfad können alle 39 Gemeinden der Region Friaul, welche zur Repubblica partigiana della Carnia  gehörten, auf Schusters Rappen erwandert werden.


 


Aktuell veröffentlicht am 8.November 2023 - Camillo Pötzsch
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